Neuer Wein von neuen Bergen
Der spektakuläre Landschaftswandel im Lausitzer Seenland eröffnet nicht nur Touristikern, sondern auch Weinenthusiasten völlig neue Möglichkeiten. Winzer mit Pioniergeist knüpfen an die uralte Weinbautradition in der Region an. Sie laden zu Weinproben, Weinbergführungen und Erlebnistouren ein. Mit frohen Weinfesten im Herbst feiern Produzenten und Genießer die Weine der "neuen" Berge.
Mehr als 150 Jahre prägte der Braunkohlebergbau die Lausitz. Als die Bagger aus dem Tagebau verschwanden und Konzepte für die Nachnutzung gefragt waren, erinnerte man sich an die jahrhundertealte Weinbautradition in der Region. Was im 13. Jahrhundert in der Niederlausitz mit den ersten Weinbergen begann, im 16. Jahrhundert seinen Höhepunkt erreichte und im 20. Jahrhundert zum Erliegen kam, wird seit der Jahrtausendwende wiederbelebt. Vielerorts gibt es noch den gewachsenen Boden, auf dem Landwirte und Winzer alte und neue Sorten anbauen, die prächtig im sonnenverwöhnten Klima an Seen oder leichten Hängen gedeihen. Aber auch auf einem aufgeschütteten Weinberg auf ehemaliger Tagebaufläche gelang das Experiment und es wachsen junge Reben. Im Herbst laden Winzer und Veranstalter zu Weinfesten, zur Lese und zu Erlebnistouren mit Weinverkostungen ein.
Das Weinanbaugebiet in der Lausitz ist klein. Im Lausitzer Seenland direkt gibt es sieben Winzer und Vereine, die eine Fläche von rund zwölf Hektar bewirtschaften. Pilzwiderstandsfähige Sorten wie Solaris und Johanniter finden hier ihren Platz, ebenso wie Riesling und Weißburgunder. Sie gedeihen auf ehemaligem Tagebaugebiet, aber auch auf alten Weinbergen, wie im UNESCO Global Geopark Muskauer Faltenbogen oder in Schorbus. Meist kommen sie als „Brandenburger Landwein“ in der Region auf den Markt.
Weinbau Wobar am Großräschener See
Am steilsten Hang in ganz Brandenburg, oberhalb des neu entstandenen Großräschener Sees an der ehemaligen, stehen gebliebenen Böschungskante des Tagebaus Meuro pflanzten Landwirt Andreas Wobar und seine Frau Cornelia in den Jahren 2012 und 2013 rund 5.000 Rebstöcke. Beide begeisterten sich schon lange für den Weinanbau, halfen bei der Lese in Saale-Unstrut und lernten auf Reisen Deutschlands Rebschulen kennen.
Ihre Weinlage ist ideal: Der See speichert die Wärme, der Hang mit einer Neigung von 30 bis 33 Prozent in Richtung Süden sorgt für optimale Sonneneinstrahlung und der Geschiebemergelboden für den besonderen Charakter der Weine. Die Familie baut nur pilzwiderstandsfähige Sorten wie Solaris, Johanniter, Cabernet blanc und Pinotin an, um weniger Pflanzenschutzmittel einsetzen zu müssen. Ausgebaut werden sie im sächsischen Weingut Schloss Proschwitz Prinz zur Lippe. Mittlerweile tragen die Weine und der Winzersekt von Weinbau Wobar das EU-Qualitätssiegel „g. g. A. Großräschener See", was einem Qualitätssiegel nach neuem Weinrecht entspricht. Es werden keine Trauben zugekauft und die gesamte Ernte wird in Handlese eingebracht, für die Rotweinbereitung und Sektherstellung gelten besondere Produktionsbedingungen.
Individuelle Weinbergführungen mit Weinverkostungen mit der Winzerfamilie können jederzeit nach Voranmeldung vereinbart werden. Zudem gibt es besondere Veranstaltungsformate, wie "Jazz und Wein" am Ende des Sommers vor der Kulisse der Weinbergs am See. Im Bistro an den IBA-Terrassen sowie in der Touristinformation am See kann der Wein gekauft werden.
Lesehelfer sind nach Voranmeldung per E-Mail oder Telefon herzlich willkommen.
Weinberg Wolkenberg
Der Wein der Wolkenberg GmbH wächst auf ehemaligem Tagebaugelände. Bis Anfang der 1990er Jahre stand an der Stelle des heutigen Weinbergs das Dorf Wolkenberg, das schließlich dem Braunkohletagebau Welzow weichen musste. Nach dem Ende der Förderung, schütteten der Energiekonzern Vattenfall in Zusammenarbeit mit der Hochschule Geisenheim und der BTU Cottbus einen 30 Meter hohen Berg auf. Vorausgegangen war 2005 ein Projekt mit 99 Reben auf einer Versuchsfläche, um herauszufinden, welche Rebsorten auf dem rekultivierten Boden am besten gedeihen. Auf sechs Hektar wachsen sieben Rebsorten wie die Weißweinsorten Weißburgunder, Kernling und die Rarität Roter Riesling sowie die Rotweinsorten Cabernet Dorsa und Rondo. Kellermeister und Oenologe Alexander Heer sorgt für den optimalen Ausbau der Weine und unterstützt Bettina Muthmann und ihr Team bei der täglichen Arbeit im Weinberg. Die einstige Versuchsfläche wird heute vom Winzerverein Drebkau bewirtschaftet.
Von Mai bis Oktober öffnen die Winzer den Wolkenberg samt Winzerhütte jeden Sonntag von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr für individuelle Weinproben. Auch Weinbergführungen werden auf Anfrage für Gruppen durchgeführt. Gäste sind außerdem eingeladen bei der Weinernte zu helfen. Die Termine werden auf der Webseite bekannt gegeben. Eine Anmeldung ist erwünscht. In der Vinothek können Weine probiert und käuflich erworben werden.
Das Besucherzentrum „excursio“ in Welzow bietet am 6. und 21. September sowie am 5. Oktober 2024 die Erlebnistour "Kohle, Wein und neues Land" in den Tagebau, zum Weinberg und in die rekultivierten Flächen an. Anschließend werden bei Käsespießen und Baguette Wolkenberger Weine verkostet. Gruppen können diese Tour auch individuell buchen. Auch Weinproben werden auf Anfrage mit expeditours durchgeführt.
Wolfshügel und Gutshäuser
Marbachs Wolfshügel
Der sechs Hektar große Weinberg von Marbachs Wolfshügel liegt am Südhang der Jerischker Endmoräne im UNESCO Global Geopark Muskauer Faltenbogen. Hubert Marbach kam als Sohn einer Winzerfamilie mit reichlich Erfahrung im Gepäck an den altehrwürdigen Standort, an dem der letzte Wein 1890 gekeltert wurde. 2008 erfolgte die Wiederaufrebung und heute finden sich Weine, Sekt und Brände im Sortiment von Marbachs Wolfshügel. Die angebauten Sorten sind Riesling, Johanniter, Cabernet Cortis und Regent. Auch hier wird auf pilzwiderstandsfähige Sorten, sogenannte PIWI-Weine, gesetzt, um einen ökologischen Anbau mit deutlich weniger Pflanzenschutzmitteln zu ermöglichen.
Am Fuß des Weinberges befindet sich das Landhaus Marbach, wo die Weine von Marbachs Wolfshügel probiert werden können. Hier erwartet die Gäste ein Weinkeller mit Vinothek, der auch für Veranstaltungen gebucht werden kann. Weinverkostungen und Führungen sowie gerne auch eine Mitarbeit am Weinberg können bei Voranmeldung gebucht werden. Übernachtungen sind in komfortablen Zimmern des sanierten ehemaligen Pferdestalls in Marbachs Landhaus möglich.
Gutshaus Schorbus
Der gewachsene Boden des historischen Weinbergs in Klein Oßnig – bis 1850 wurde hier bereits Wein angebaut – bietet beste Voraussetzungen für eine hervorragende Weinqualität. Über helfende Hände bei der Weinlese freuen sich auch Christiane Gernert und Günter Oster vom Gutshaus Schorbus auf ihrem Weinberg. Von Mitte August bis Mitte September wird es mehre Termine geben. Nach der Lese sind die Helfer eingeladen mit dem Winzerpaar zusammenzusitzen. Wer Lust hat bei der Weinlese zu helfen, fragt am besten telefonisch oder per E-Mail nach. Weinproben und Weinbergführungen sind nach Voranmeldung jederzeit möglich. Am 21. September 2024 wird Weinbergfest gefeiert.
Weintouren und Veranstaltungen rund um den Wein
Weine aus dem Lausitzer Seenland kennen lernen, können Interessierte auch auf der abendlichen Genießertour „Weinland Lausitz“ mit „iba-aktiv-tours“ am 31. August, 7., 13., 21. und 28. September 2024. Während der Busfahrt werden fünf Lausitzer Weine an verschiedenen malerischen Orten und Weinbergen verkostet. Die Tour ist individuell auch für Gruppen ab sechs Personen buchbar.
Für alle, die das Besondere suchen, gibt es die ganztägige Wolf-Wild-Wein-Tour von "Wolfland Tours" am 14. und 21. September 2024. Naturführer Steffen Heiber begleitet Gäste tagsüber auf den Spuren des Wolfes und Rothirschs. Am Abend verkosten die Teilnehmer Wein von Marbachs Wolfshügel, bevor sie noch einmal losziehen, um das Röhren des Hirsches und das Heulen des Wolfes zu hören.
Weitere Termine für Weingenießer im Lausitzer Seenland gibt es im Veranstaltungskalender und unter den Webseiten der Anbieter.